Die FDP-Fraktion im Bayerischen Landtag hat heute in der Aktuellen Stunde die Entwicklung der bayerischen Wirtschaft thematisiert. Die Rede des Fraktionsvorsitzenden Martin Hagen im Wortlaut:
"'Die bayerische Wirtschaft im Abwärtssog' – so titelte Ende Oktober die Bayerische Industrie- und Handelskammer. Der Konjunkturindex, ermittelt durch eine Umfrage unter 3.700 bayerischen Unternehmen, ist zum fünften Mal in Folge gefallen – auf den niedrigsten Wert seit neun Jahren. Unser Arbeitsmarkt zeigt sich Gott sei Dank noch relativ robust. Aber die Einschläge kommen näher:
• Brose streicht hunderte Stellen in Coburg, Würzburg, Bamberg und Hallstadt.
• In Hallstadt schließt außerdem Michelin sein Werk mit 860 Mitarbeitern.
• Bei Continental in Roding stehen 540 Beschäftigte vor dem Aus.
• Brandl schließt sein Werk in Pfeffenhausen.
• Bosch streicht Arbeitsplätze in Bamberg.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, als die FDP hier vor einem halben Jahr schon einmal die wirtschaftliche Entwicklung zum Thema einer Aktuellen Stunde gemacht hat, war der Abschwung noch etwas Abstraktes. Es ging um Zahlen und Prognosen. Jetzt geht es ganz konkret um Arbeitsplätze, es geht um die Schicksale tausender Menschen in Bayern.
Es ist schade, dass der Wirtschaftsminister heute nicht hier sein kann. Mich würde interessieren, was er dem drohenden Abschwung entgegenzusetzen gedenkt. Mir sagen immer wieder Unternehmer und Vertreter von Wirtschaftsverbänden, ihnen wäre wohler, wenn das Wirtschaftsministerium in diesen stürmischen Zeiten von jemandem geführt würde, der sich in seiner bisherigen politischen Laufbahn ein Profil als kompetenter Wirtschaftspolitiker erworben hätte. Und von jemanden, der für wirtschaftsfreundliche Positionen bekannt ist.
Der amtierende Wirtschaftsminister ist ein erklärter Gegner wichtiger Infrastrukturprojekte wie der dritten Startbahn am Münchner Flughafen. Er ist ein erklärter Gegner der Stromtrassen, die wir brauchen, um eine sichere und vor allem bezahlbare Stromversorgung sicherzustellen.
Und er ist ein erklärter Gegner von Freihandelsabkommen wie CETA und TTIP. Dabei sind es ja gerade die neuen Handelskonflikte und Strafzölle, die unserer exportorientierten Wirtschaft zu heftig zusetzen.
Meine Damen und Herren, ich schätze Hubert Aiwanger persönlich als bodenständigen und humorvollen Kollegen, aber für mich ist er der falsche Mann zur falschen Zeit im falschen Amt.
Vergangene Woche haben die Förderagentur BayStartUp und Bayerns IHK Alarm geschlagen: Unsere Start-ups leiden unter einem akuten Mangel an heimischem Wagniskapital. Sie geraten damit in die Abhängigkeit ausländischer Kapitalgeber – was dazu führt, dass Technologie, die hier in Bayern mit bayerischen Fördergeldern entwickelt wurde, ins Ausland abwandert.
Ich freue mich, dass Ministerpräsident Söder meine Idee eines bayerischen Start-up-Fonds in seine jüngste Regierungserklärung aufgenommen hat. Ich bin gespannt, was daraus wird. Aber wo bleibt die bayerische Bundesratsinitiative für ein Venture-Capital-Gesetz, das die Rahmenbedingungen für privates Wagniskapital in Deutschland verbessert? Das wäre doch mal ein sinnvolles Betätigungsfeld für die bayerische Wirtschaftspolitik!
Ein Weiteres wäre die Frage, wie wir die Regionen unterstützen, die besonders stark vom Strukturwandel in der Autoindustrie betroffen sind. Unsere Idee heißt "Bavarian Valleys": Sonderwirtschaftszonen mit besonders günstigen Rahmenbedingungen für die HighTech- und Digitalwirtschaft. Ein niederbayerisches Shenzhen, ein oberfränkisches Sophia Antipolis – ja, das mag für einige arg visionär klingen, aber genau dieses Visionäre hat die bayerische Politik doch früher mal ausgezeichnet!
Abschließend ein paar Worte zur Bundespolitik – da spielen die Freien Wähler ja bekanntlich keine Rolle und können deshalb auch nichts beitragen, aber zumindest die CSU gehört der amtierenden Bundesregierung ja an: Wir brauchen von dort ganz dringend Impulse für mehr Wachstum. Ich beschränke mich angesichts meiner Redezeit auf drei Punkte:
Erstens, steuerliche Entlastung: Senken wir die Unternehmenssteuern auf EU-Durchschnitt. Schaffen wir endlich den Soli ab – das entlastet Personengesellschaften, also den kleinen Mittelstand. Und senken wir die Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß. Die steigenden Stromkosten werden immer mehr zur Belastung für Bürger und Industrie.
Zweitens, Impulse für mehr Investitionen: Der Staat muss seinen Investitionsstau auflösen, aber auch für die Privatwirtschaft braucht es Anreize, zu investieren. Wir fordern deshalb eine auf zwei Jahre begrenzte degressive Abschreibung für alle beweglichen Wirtschaftsgüter und eine Sonderabschreibung für alle Wirtschaftsgüter, die der digitalen Transformationen dienen.
Und drittens müssen wir die Wirtschaft – insbesondere den Mittelstand – endlich von Bürokratie und Überregulierung befreien. Das starre Arbeitszeitgesetz gehört flexibilisiert, Dokumentationspflichten reduziert, Aufbewahrungsfristen verkürzt. Lassen wir den Unternehmen wieder mehr Luft zum Atmen.
Was angesichts des drohenden Abschwungs und der damit verbundenden sinkenden Steuereinnahmen überhaupt nicht in die Zeit passt, sind weitere teure Wahlgeschenke. Da haben Sie ja zuletzt in Bayern zuletzt sauber zugeschlagen, aber auch im Bund ist der Sozialetat in den letzten sechs Jahren von 145 auf über 180 Milliarden angestiegen. Jetzt will die Kanzlerin auch noch die Koalition mit der SPD retten, indem die Union der Grundrente ohne Bedarfsprüfung zustimmen. Meine Damen und Herren von der CSU, das ist ein Lackmustest für Ihre Glaubwürdigkeit!
Die Lage ist ernst, also Schluss mit der Lethargie: Wir brauchen Tempo für Wirtschaft, Tempo für Wachstum, Tempo für Wohlstand. Nur so wird es uns gelingen, den großen Herausforderungen der Zukunft erfolgreich zu begegnen."